Nachwuchssymposium „An die Arbeit! Minderheiten und Erwerbserfahrungen im 19. und 20. Jahrhundert“

Nachwuchssymposium „An die Arbeit! Minderheiten und Erwerbserfahrungen im 19. und 20. Jahrhundert“

Organisatoren
Arbeitsbereich Minderheitengeschichte und Bürgerrechte in Europa
Ort
Heidelberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.06.2015 - 26.06.2015
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Von
Stefan Westermann, Lehrstuhl für Zeitgeschichte, Historisches Seminar der Universität Heidelberg

Die aktuelle Debatte um Arbeitsbedingungen in verschiedenen Gesellschaften und den Zugang von Minderheiten zum Arbeitsmarkt bildeten den Hintergrund für das interdisziplinäre Nachwuchssymposium des Heidelberger Arbeitsbereichs Minderheitengeschichte und Bürgerrechte in Europa. In ihrer Einleitung stellte DANIELA GRESS (Heidelberg) die erkenntnisleitenden Fragen des Symposiums vor. Welche Funktion wird Arbeit von der Mehrheit zugewiesen? Wie lassen sich Bezüge zwischen diesen Zuweisungen und Minderheiten kategorisieren? Das Symposium bestand aus fünf Panels, einer Keynote Speech und einer Podiumsdiskussion.

Im ersten Beitrag des Symposiums berichtete KATARZYNA WONIAK (Berlin) aus ihrem Habilitationsprojekt zum Umgang der Berliner Strafjustiz mit polnischen Zwangsarbeitern zwischen 1939 und 1945. Woniak erläuterte das juristische System, das insgesamt aber sehr ineffizient und willkürlich gewesen sei: Ermittlungen bezüglich der Strafrechtsdelikte hätten sich wegen Übersetzungsproblemen hinausgezögert und seien am Ende nur wenig in die Urteilsfindung miteinbezogen worden. So überraschte nicht, dass es auch zu Justizmorden und einer – im Vergleich zu den sogenannten „Polenerlassen“ – weiteren Herabstufung der polnischen Zwangsarbeiter mit dem Ziel der Abschreckung von Nachahmern kam. Indem Woniak auch auf die Perspektive der polnischen Zwangsarbeiter und deren Anpassungsstrategien an die ausbeuterischen Verhältnisse zu sprechen kam, vereinte sie den Blick von oben mit dem von unten. Heimweh und Sehnsüchte der Zwangsarbeiter traten damit ebenso in den Vordergrund wie ihre Versuche einer Prozessverkürzung, etwa indem sie behaupteten, jeder Tag der Haft verhindere die Mitarbeit in deutschen Unternehmen. Woniak arbeitete nachvollziehbar heraus, welches Verhalten die Zugehörigkeit zu einer Minderheit evozieren kann.

ALICE HABERSACK (Erkelenz) verdeutlichte diesen Zusammenhang am Heidelberger Zwangsarbeiterlager Baggerloch, das sich durch seine Größe und seinen Lagercharakter von anderen lokalen Unterbringungen wie zum Beispiel in Sälen, Hotels oder Privatunterkünften unterschied. Habersack zeichnete ein detailliertes Bild der großen Bandbreite an Zwangsunterkünften, die die verschiedenen Arbeitgeber für die jeweiligen Zwangsarbeitergruppen am Baggerloch errichtet hätten. In Heidelberg habe es keinen wirtschaftlichen Bereich gegeben, der ohne Fremdarbeiter ausgekommen sei. Essensrationen, hygienische Zustände, medizinische Versorgung, Barackenausstattung und die Überlebenschance hätten nicht nur vom Arbeitgeber, sondern auch von der Nationalität abgehangen – ein Ergebnis, das sich in das bisherige Bild der Zwangsarbeit einfügt.

Einen anderen Ansatz verfolgte VERENA MEIER (Heidelberg) in ihrem Vortrag über Zwangsarbeit in der Pulverfabrik Liebenau (heute Niedersachsen). Sie betrachtete die Ausbeutung der sowjetischen Kriegsgefangenen unter ethisch-philosophischen Kriterien. Da die nationalsozialistischen Profiteure den Zwangsarbeitern keinen menschlichen Wert zugeordnet hätten, lasse sich das NS-System als Ausläufer einer rassistisch begründeten utilitaristischen Ausbeutungspolitik beschreiben. Zwangsarbeiter seien aufgrund ihres vermeintlich geringen Arbeitsnutzens außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt worden, was gleichzeitig deren Misshandlungen rechtfertigen sollte. Die rassistische Zuschreibung, dass Sowjetbürger grundsätzlich über weniger Arbeitskraft als Deutsche verfügten, habe ein utilitaristisches Weltbild begründet, nach dem es die arbeitsschwachen Zwangsarbeiter auszusondern galt. In dieser Diktion rückt das Kosten-Nutzen-Denken als Maßstab der Täter in den Vordergrund, Einteilungen der Zwangsarbeiterschaft nach Nationalitäten oder nach Arbeitssektoren, wie sie aus der bisherigen Forschung bekannt sind, in den Hintergrund. Die Zuschreibung hoher Arbeitskraft wird dann zum entscheidenden Kriterium für die Angehörigkeit zur deutschen Mehrheit und die Misshandlung der sowjetischen Minderheit. Meiers Perspektive lässt sich auf andere Felder und Epochen übertragen, um Kontinuitäten und Brüche im ethisch-philosophischen Denken und auch im konkreten Handeln von Kollektiven und Individuen sichtbar zu machen.

Im zweiten Panel, das wirtschaftliche Arbeitsmigration in den Fokus rückte, stellte KRISTINA JÄGER (Osnabrück) die Fragestellung ihrer Dissertation vor. Disziplinär angesiedelt zwischen Migrationsforschung und Geschichtswissenschaft untersucht sie darin die von ihr so benannte privilegierte Migration in Unternehmen am Beispiel von Siemens und dessen Arbeitskraftaustausch mit Japan. Vor allem das Entsendewesen steht im Mittelpunkt ihres Interesses. Welche Gruppen sind von dieser Art der Arbeitsmigration betroffen? Welche Aufgaben übernehmen sie im Aufnahmeland? Welche Infrastruktur wird dort für sie bereitgestellt? Welche soziale Rolle nehmen sie ein? Entsendete werden so als Minderheit im Aufnahmeland begriffen. Im Plenum wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit der Begriff Arbeitsmigration hier der passende sei, sei dieser diskursiv doch bereits stark mit der massenhaften Arbeiterwanderung von der Peripherie ins Zentrum verbunden. Das vorgestellte Fallbeispiel behandele aber eher ein Elitenphänomen, dem man auch begrifflich gerecht werden müsse. Jägers Ansatz bietet somit die Möglichkeit, Unterschiede zwischen Massen- und Elitenphänomenen zu benennen und kenntlich zu machen. Gleichzeitig wird die Fremdzuschreibung vom Unternehmen auf den Kulturraum, in den entsendet wird, charakterisiert. So kann auf mehreren Ebenen zwischen Mehr- und Minderheit unterschieden werden.

Das dritte Panel thematisierte Räume, Grenzen und Nationen als Kategorien im Verhältnis von Arbeit und Minderheitenstatus. LUTZ VOGEL (Dresden) resümierte seine 2014 veröffentlichte Dissertation zur kleinräumigen Migration in der Oberlausitz des 19. Jahrhunderts und betonte dabei vor allem den Faktor Arbeit als Argument im Einbürgerungsverfahren. Der sächsische Gesetzgeber habe mit Blick auf die Aufnahmegesellschaft versucht, diese wirtschaftlich zu schützen, und Erwerbsarbeit als den dafür entscheidenden Faktor ausgemacht. Dementsprechend sei diese in den Einbürgerungsverfahren ein wichtiges Argument zur Aufnahme oder Ablehnung gewesen. Einbürgerungswillige hätten in ihren Einbürgerungsanträgen betont, dass sie für die sächsische Mehrheit keine Gefahr darstellten. Dafür hätten sie herausgestellt, dass sie einem Beruf nachgingen, den die Sachsen selbst nur wenig ausübten und für den Bedarf bestand. Oder sie hätten auf ihre bereits gewachsene Kundschaft, ein etabliertes Netzwerk und ihre Arbeitsqualität hingewiesen. Diese Strategien hätten bereits länger in Sachsen lebende oder gerade erst eingereiste Betroffene gleichermaßen genutzt. Persönliche Kontakte – gerade zu politischen Entscheidungsträgern – hätten dabei für den Erhalt eines einwandfreien Leumunds und positiven Bescheids eine wichtige Rolle gespielt. Vogel nahm somit behördliche Spielräume und Präferenzen ebenso in den Blick wie Ängste und Hoffnungen der Einzubürgernden.

MARIUS WEIGL (Wien), der Zwischenergebnisse seines Dissertationsprojektes präsentierte, vollzog den virtuellen Grenzübertritt ins Habsburgerreich der Jahre 1863 bis 1918. Er sprach über die sogenannte „Zigeunerpolitik“ dieser Jahre und referierte dabei zunächst die entscheidenden gesetzlichen Maßnahmen, mit denen die betroffenen Minderheiten kriminalisiert werden sollten. Beispielsweise hätte das 1863 novellierte Heimatrecht verhindert, dass als „Zigeuner“ deklarierten Personen die Armenfürsorge gewährt wurde. Grundsätzlich sei jedem Bürger der Habsburgermonarchie nach dem 1849 erlassenen Heimatrecht eine Heimatgemeinde zugeordnet worden, an die die Auszahlung der Armenfürsorge gekoppelt worden sei. Die Novellierung von 1863 hätte den „Zigeunern“ nun die Zuordnung zu einer Heimatgemeinde genommen, was mit ihrem vermeintlich fehlenden Arbeitswillen begründet worden sei: Sie seien faul und würden der Gemeinschaft ‚auf der Tasche liegen‘. Aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft hätte somit der Konnex zwischen Heimatgemeinde und Armenfürsorge gelöst werden müssen. Unter Verweis auf weitere Gesetze skizzierte Weigl Mechanismen der Ausgrenzung. Dabei sei allerdings nie dezidiert definiert worden, wer eigentlich zu dieser benachteiligten Gruppe zu zählen sei, sondern in jedem Einzelfall sei in einer Mixtur aus Nachname des Betroffenen, dem Ort, an dem er aufgegriffen wurde, und seiner Herkunft die Zugehörigkeit „ermittelt“ worden. Wichtigstes Kriterium sei aber der vorgeblich fehlende Arbeitswille und damit verbunden die Arbeitslosigkeit gewesen.

Nach den ersten drei Panels hielt ULRICH HERBERT (Freiburg) die Keynote Speech, in der er ein großes, problemorientiertes Panorama von Arbeitsmigration seit der spanischen Eroberung Südamerikas zeichnete. Angesprochene Themen waren die afrikanisch-amerikanische Sklavenarbeit, Arbeitsmigration im Zeitalter der Nationalstaaten mit dem entsprechenden Anpassungsdruck für Minderheiten, Zwangsmigration und Einflüsse des Rassedenkens, Gastarbeit und Einwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Problematik der Asylbewerber und Flüchtlinge, die in einem Ausblick auf die heutigen globalen Migrationsbewegungen mündete. Eine Kernthese Herberts war dabei, dass die Politik die Möglichkeit einer gezielten Steuerung von Migration über alle Zeiten hinweg überschätzt habe. So wie die Afrikaner sich in den USA niedergelassen und diese beeinflusst hätten, sei jeder Migrationsprozess von Unwägbarkeiten bestimmt, die sich nicht vorhersehen und steuern, mithin nur kurzfristig mildern ließen. Diskussionspunkte in Plenum bildeten vor allem nationale Vergleiche, die einen europazentrierten Blick auflösen und die nationalsozialistische Zwangsarbeit in einen zeitgenössischen Gewaltkontext stellen könnten.

Das vierte Panel beinhaltete die Diskussion um Normen und Wertvorstellungen von Arbeit. BERTOLD SCHARF (Kiel) untersucht in seiner Dissertation die Inklusion von sogenannten Schwergeschädigten in der DDR, im Besonderen deren rechtlichen Rahmen, Akteure und Einsatzgebiete, Expertenkonzepte sowie das gesellschaftliche Bild von Leistung. Bereits begrifflich sei ein auf Arbeit bezogener Wert von Menschen greifbar gewesen, indem in der DDR das defizitorientierte Wort Behinderte vermieden und stattdessen das Wort Schwergeschädigte genutzt worden sei. Im Sinne der Ideologie, dass es innerhalb des Sozialismus keine Arbeitslosen gebe, seien auch die Schwergeschädigten in den Arbeitsprozess wie selbstverständlich einbezogen worden. Bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Inklusion zeige sich eine große Bandbreite: Je nach Schwere und Art der Leistungsbeeinträchtigung seien die Schwergeschädigten in einer Sonderschule, einer speziellen Arbeitseinrichtung, in der Heimarbeit, einem abgegrenzten Arbeitsbereich innerhalb eines Betriebes oder an einem regulären Arbeitsplatz eingesetzt worden. Außerdem seien Notenmaßstäbe in der Ausbildung angepasst worden. Ein weiterer Befund betrifft die strikte Abgrenzung von Schwergeschädigten und offensichtlich Arbeitsunwilligen. Während erstere als unverschuldet leistungsverminderte Personen betrachtet worden seien und mit Gewährung von Sozialhilfe und zumindest separiertem Einbezug in den Arbeitsalltag hätten rechnen können, hätte man die Letztgenannten scharf sanktioniert und von Sozialleistungen ausgeschlossen. Der Grad der Zuschreibung an Leistungsminderung besaß für den Lebensalltag somit eine enorme Rolle.

Im folgenden Vortrag ging HARRIET SCHARNBERG (Münster) auf die nationalsozialistische Bildpropaganda bezüglich Juden und deren Arbeitskraft ein. In den dafür untersuchten Illustrierten hätte sich das Thema Arbeit als der zentrale Topos herausgestellt, der Deutsche und Juden dividieren sollte. Die Deutschen seien als kräftig-muskulöse, dynamische und konzentriert-souveräne Personen dargestellt worden. Arbeit – vor allem präsentiert in handwerklichen und landwirtschaftlichen Berufen – sei das markante und verbindende Merkmal der deutschen „Volksgemeinschaft“ gewesen. Die Absetzung von den Juden sei bildlich in der betont gegensätzlichen Darstellung zu dieser „deutschen“ Arbeit erfolgt: Juden seien stets durch schnelle Erschöpfung, erkennbare Unlust, fehlendes Wissen und unzureichende Kleidung sowie fehlende Souveränität gekennzeichnet worden. So seien jahrhundertealte Stereotype vom „arbeitsscheuen Juden“ in einer modernen Bilderwelt aktualisiert worden. Unter Berücksichtigung der hohen Konjunktur solcher Illustrierten und der Rezeptionsforschung wurde die diskriminierende Wirkung dieser Zuschreibungen auf die Minderheit deutlich.

Auch MIRJAM SCHNORR (Heidelberg) befasste sich mit einem Thema des „Dritten Reiches“, als sie die grundlegenden Überlegungen ihrer gerade begonnenen Dissertation zum damaligen Umgang mit Prostituierten – zeitgenössisch der Minderheit der sogenannten „Asozialen“ angehörend – vorstellte. Der Schwerpunkt wird dabei auf der freiwilligen weiblichen heterosexuellen Prostitution und auf den Änderungen im Umgang mit ihr bis 1945 liegen. Hätte der NS-Staat vor dem Weltkrieg anhand verschiedener Gesetzesvorhaben versucht, Prostitution zu sanktionieren und begrenzen, sei er im Krieg für seine Soldaten und Zwangsarbeiter selbst zum Zuhälter geworden, der die zuvor kriminalisierten Frauen zur Prostitution nötigte. Die damit verbundenen Änderungen in der Praxis der Überwachung und Bordellgestaltung, aber auch die Selbstzeugnisse und -bilder von Prostituierten und deren Zuhältern sollen Gegenstand von Schnorrs Arbeit sein, exemplarisch untersucht an den drei damals größten Städten auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart.

Vorformulierte und genderbezogene Sprechweisen über ArmutsmigrantInnen waren das Thema von STEFAN BENEDIK (Graz). Am medialen Diskurs über die sogenannten BettlerInnen in Graz seit einem Aufruhr 1996 verdeutlichte er, wie sich Sprechweisen entlang gewohnter Topoi und subjektiver Projektionen ausbildeten. Das beträfe einerseits die ArbeitsmigrantInnen als ausländische Minderheit, die vor allem aus der Slowakei nach Graz einwanderten, um dort als BettlerInnen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und mit entsprechenden Stereotypen belegt würden. Innerhalb dieser Minderheit erführen andererseits die Frauen eine gesonderte Diskriminierung: Da lediglich der Mann als Unterhaltsverdiener gesehen würde, für den die Arbeitsmigration etwas Normales darstelle, werde die Frau automatisch auf eine statische Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert. Entlang dieser an Arbeit orientierten Leitlinien hätte sich in Graz eine heftige Debatte um Kriminalisierung und Legitimierung der BettlerInnen etabliert, die sich bis in die Kunst hinein zeigte, etwa indem Dokumentarfilme osteuropäische Frauen bewusst als Ernährerinnen exponierten. Romantisierende und die Moderne kritisierende Darstellungen gingen sogar so weit, in den slowakischen Familien eine noch intakte Familienwelt mit den „natürlichen“ Rollenverteilungen von Frau und Mann zu sehen. Benedik lenkte somit den Blick auf genderspezifische Besonderheiten innerhalb eines rassifizierten Minderheitenbildes.

Beendet wurde das Symposium nach diesem Panel mit der von KARL-HEINZ MEIER-BRAUN (Stuttgart) moderierten Podiumsdiskussion, auf der Experten und Betroffene aus den Bereichen Kultur, Medien und Wissenschaft mit Blick auf die aktuellen Flüchtlings- und Migrationsbewegungen deren historische Ursachen und die derzeitigen politischen Lösungsansätze thematisierten. Das einhellige Bild war auch hier das eines nicht steuerbaren und nur kurzfristig zu beeinflussenden globalen Prozesses. Bildung und verbindlichere Aufnahmeregelungen seien die einzige Möglichkeit, mit den unvorhersehbaren und unvermeidlichen Prozessen zurechtzukommen.

Das Nachwuchssymposium brachte gewinnbringend verschiedene Disziplinen zusammen. Klassische geschichtswissenschaftliche Ansätze standen neben Methoden der Gender-, Migrations-, Disability- und Medienforschung, die zusammengenommen differenzierte und erweiterte Perspektiven auf Aushandlungs- und Zuschreibungsprozesse zwischen Mehr- und Minderheiten im Kontext von Arbeit eröffneten. Indem über konkrete Mechanismen und Kategorien diskutiert wurde, rückten die Einzelthemen mit ihren spezifischen methodischen Herausforderungen im Rahmen der allgemeinen Fragestellung in den Vordergrund. Künftige Veranstaltungen könnten dahingehend ansetzen, diese einzelnen Ansätze zu größeren Leitlinien zusammenzufassen, um beispielsweise Begriffe wie Migration zu schärfen oder Zusammenhänge von Diskriminierung stärker herauszustellen.

Konferenzübersicht:

Edgar Wolfrum, Manfred Lautenschläger (Heidelberg), Begrüßung

Daniela Gress (Heidelberg), Minderheiten und Arbeit – eine historische Einführung

Panel 1: Formen der Arbeitsmigration I: Fremd- und Zwangsarbeit

Katarzyna Woniak (Berlin), Von „Fremdarbeitern“ zu Justiz- und KZ-Häftlingen. Die polnischen Zwangsarbeiter in Berlin als Strafgefangene

Alice Habersack (Erkelenz), Leben und Arbeitsbedingungen der „Fremdarbeiter“ in Heidelberg am Beispiel des Lagers Baggerloch

Verena Meier (Heidelberg), „Wir sind die Herren, ihr seid die Sklaven“ – Die ökonomische Ausbeutungspolitik von sowjetischen Kriegsgefangenen im Arbeitseinsatz in der Pulverfabrik Liebenau

Chair: Cord Pagenstecher (Berlin)

Panel 2: Formen der Arbeitsmigration II: Saison- und Gastarbeit, Wirtschaft und ökonomische Lage

Kristina Jäger (Osnabrück), Produktion von Migration durch Entsendung. Strategien und Praktiken multinationaler Unternehmen

Chair: Roberto Sala (Basel)

Panel 3: Räume, Grenzen, Nationen

Lutz Vogel (Dresden), Chancen, Ängste, Widerstände. Arbeit als Argument bei der Einwanderung in Sachsen im 19. Jahrhundert

Marius Weigl (Wien), Von der Armutspolitik zur Internierung. „Zigeunerpolitik“ in Österreich(-Ungarn) von 1863 bis 1918

Chair: Roberto Sala (Basel)

Ulrich Herbert (Freiburg), Keynote Speech, Von Auswanderern, Flüchtlingen und Arbeitsmigranten: Völkerwanderungen – eine historische Vergewisserung

Panel 4: Arbeitsethos, Normen und Wertvorstellungen

Bertold Scharf (Kiel), Behinderung und Arbeitswelten. Inklusion und Exklusion von Menschen mit Behinderung im betrieblichen Umfeld seit 1945

Harriet Scharnberg (Münster), Arbeit und Gemeinschaft. Zur Rolle und Darstellung von „Arbeit“ in der NS-Bildpropaganda

Chair: Astrid Messerschmidt (Karlsruhe)

Panel 5: Geschlecht und Gender

Mirjam Schnorr (Heidelberg), Prostitution im „Dritten Reich“. Zur Situation von „asozialen Frauen“ in ausgewählten badischen und württembergischen Großstädten zwischen 1933 und 1945

Stefan Benedik (Graz), Un/Threatening Breadwinners: Geschlechterbilder im Sprechen über zentraleuropäische Armutsmigrant_innen

Chair: Sylvia Hahn (Salzburg)

Podiumsdiskussion: „Armuts“- oder Arbeitsmigration? Neue Perspektiven auf Einwanderung und Flucht

Emran Elmazi (Heidelberg), Marcus Engler (Berlin), Max Matter (Freiburg), Benjamin Pargan (Bonn)

Moderation: Karl-Heinz Meier-Braun (Stuttgart)


Redaktion
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